Casa Emo: der Fundus


Die Straße hinter Monselice ist lang. „Haben wir uns nicht doch verfahren?“ Haben wir nicht: auf der rechten Seite erscheint die schwarze Kuppel über der historischen Villa Emo. Die ist längst verkauft, an einen Russen wohl, wie halb Venetien inzwischen. Es soll ein Hotel für die Elite daraus werden, so heißt das. 

Der Weg ist also richtig. Am Kanal entlang, über die Eisenbrücke: rechts ein niedriges graues Gebäude. Hier ist es. Battaglia Terme, Rivella: Die Neben- und Lustvilla der Familie verbirgt sich hinter diesen Mauern. Hier hat man unter sich sein wollen: vom Eingang gesehen, gibt die Villa nicht viel her. Zahlende Besucher werden wohl auch nur in den Park gelassen. 

Schmale Treppen führen nach oben. Von der Rückseite her erscheint ein Tempel, antike Säulen, breitereTreppen links und rechts, so symmetrisch und wie schwebend: hier hat Palladio noch Pate gestanden, der Architekt Scamozzi hat auf überbordende Formen verzichtet. Drinnen Affresken: die Jahreszeiten, ein ganz karger nordischer Winter, im Speisezimmer Gemälde junger Damen. Eine isst Eis. Rechts geht es in die Bibliothek.

Es sind die Bücher Andrea Emos. Da steht auch sein Arbeitsplatz, hergerichtet. Emo selbst hat hier selten oder nie gewohnt. Doch der Ort ist ihm geweiht. Deutsche Bücher in großer Zahl: ein ganzes Brett Rilke. Was fehlt, sind die philosophischen Werke. Die hat die Witwe der Mailänder Privatuniversität San Raffaele gestiftet, einem mit großem Anspruch unter Leitung Massimo Cacciaris, der dann doch lieber Bürgermeister hat werden wollen, gegründeten Institut, das heute unter neuem Dekan eher sehr bescheiden dahindümpelt. Die Universitätsphilosophen haben die Bibliothek auseinandergerissen, wie sie es eben verstehen. In Mailand steht jetzt Kierkegaard, den Emo auf Deutsch und Französisch gelesen hat, weil die italienischen Übersetzungen ganz furchtbar sind. Hier steht Rousseau. Zu literarisch vermutlich. Dem Werk Emos wird die bäuerliche Aufteilung naturgemäß nicht gerecht. 

Das Werk nun, oder besser: der Fundus, jene berühmten 38000 oder wer weiß beschriebenen Seiten des Philosophen Andrea Emos, der schreibend gedacht, aber nichts veröffentlicht hat, das steht auch hier. Zur Zeit hütet Emos Tochter den Schatz, die überaus freundliche Dame, welche Parkbesuchern die Eintrittskarten verkauft. Was später daraus werden soll, weiß niemand.

Ode ans Nichts

Ode ans göttliche Nichts

Göttliches Nichts, unser Frieden, funkelndes Firmament über dunkelsten Nächten, Synthese all dessen, was wir sind, Du bist unser höchster W...