Uns allen ist es in unserem lebenden Leben vorgekommen, dass wir uns wie Gespenster gefühlt haben, also ohne Individuationsprinzip, — das Alter ist, mit seiner langen Vergangenheit, zugleich die individuierteste und gespenstischste Lebenszeit. — (...) Wir sind gespenstisch, wenn die Vergangenheit, die Erinnerungen, aus denen wir aufgebaut sind, unbezwingbar werden, ein eigenes und besonderes Leben führen, unbeugbar sind. — sie sind unser anderes, und sie stehen vor uns als unsere schreckliche Identität.
(D/G S.925)
Alberto Savinio: Il signor Münster*
Er geht auf die Terrasse. Da läuft eine Katze.
"Die Augen der Katze trafen die des Herrn Münster und die Katze blieb schlagartig stehen. Auch Herr Münster blieb stehen. Die Katze ging quer und näherte sich langsam der Wand. Sie ließ Herrn Münster nicht aus den Augen. Nach und nach krümmte sich ihr Rücken hoch, das Haar sträubte sich ihr und von Kopf bis Fuß bildete sich ein dunklerer Streifen, der Schwanz stellt sich auf wie eine Kerze. Herr Münster blieb still stehen; der Kampf beschränkte sich auf einen Kampf der Blicke. Seinerseits gab sich Herr Münster bei diesem Kampf nicht die geringste Mühe; er gab seinen Augen ihren natürlichen Ausdruck. Aber es war eben dieser natürliche Ausdruck, der die Katze verängstigte".
Herr Münster ist, wie ihm hier deutlich wird, tot: ein Gespenst.
*(Münster mailändisch für "Monster"
Alberto Savinio: La nostra anima, Milano (Adelphi), S.110.
Alberto Savinio: La nostra anima, Milano (Adelphi), S.110.