Wenn Emos Lehrer Giovanni Gentile in Zukunft erinnert werden sollte, wird es vermutlich weniger aufgrund seiner Philosophie sein, als vielmehr wegen der Schulreform, die er als Mussolinis Kultusminister 1923 durchgeführt hat.
Das Liceo classico, die Elitenbildungsstätte Italiens, ist sein Werk. In Frankreich haben sie die École normale für Kinder von Leuten, welche die auch schon besucht haben, in England hatten sie Eton und haben sie Privatschulen, wo man rechts- oder linksrum lispelt, in Italien gibt es in jeder mittelgroßen Stadt so ein öffentliches Liceo classico, wo man in zwei Jahren griechische und die lateinische Grundgrammatik erlernt, also lernen muss wie ein Blöder. Wer als Politiker oder Journalist etwas werden wollte, musste bis 1991 das besucht haben, dann kamen die Lega und Berlusconi (der auch behauptet, so etwas absolviert zu haben, was aber nicht stimmen kann: er spricht zu schlecht), doch ist im Wesentlichen die Lage unverändert. Der neue Schreckensmann Salvini hat das Liceo Manzoni in Mailand besucht.
Im Classico hießen (und heißen) die Hauptfächer Griechisch, Latein, Italienisch und Philosophie. Nebenbei werden Kunstgeschichte und Mathematik unterrichtet. Alles Praktische liegt der so gestalteten Schule fern: schönes Schreiben und Sprechen, klares Denken stehen im Mittelpunkt. Auf die enge Welt der praktischen Bedürfnisse sollten hingegen das Liceo scientifico und die Fachschulen vorbereiten, allerdings ließ Gentile überall Philosophie als Schulfach einführen (nur am Scientifico ist sie geblieben).
Gentiles Reform schraubte die Ansprüche an die Abiturienten des Liceo classico hoch, übrigens auch an die Lehrer: das zweite Staatsexamen bestand in einer Übersetzung aus dem Griechischen ins Lateinische. Demonstrationen waren die Folge. Im faschistischen Italien ein ungewöhnliches Bild. Gentile trat denn auch bald zurück. Sein Schulsystem blieb.
1944 wurde Gentile von einem Antifaschisten erschossen. Er war als Verantwortlicher des "Manifests der faschistischen Intellektuellen" (1925) und als Verfasser von "Herkunft und Lehre des Faschismus" (1929) in Erinnerung geblieben.