Widmung, kurz

Wenn einer berühmt wird, sagt der Herr Teste, dann hat er einen Fehler begangen, nämlich den, der ihn berühmt gemacht hat. Sie aber, Conte Emo aus dem tausendjährigen Geschlecht, haben das Ihr schreibwütiges Leben lang vermieden und Ihre 38000 Blätter mit Gedanken zur Verzweiflung und zu Zypressen einfach weggeschlossen, nur hin und wieder Briefe gewechselt mit den Begnadetsten, Cristina Campo und Alberto Savinio. 

Dass dann die Witwe einen hungrigen akademischen Geier herbeirufen würde und der sich, dessen Freunde sich, deren Geliebte sich mit Ihrem unablässigen Schreiben Schriften zusammenklauben und Professorenstellen erobern würden, konnten Sie ja nicht ahnen, Conte. Inzwischen haben die alle ihre Stellen und Sie vergessen. Gut so? Und dann kommt noch ein Künstler daher und widmet Ihnen eine Ausstellung. Aber vielleicht wäre Ihnen solch ein wenig  sozusagen seitlicher und wie verfliegender Ruhm ja ganz Recht gewesen. 

"Die Verzweiflung ist eine tiefe Höhle, die man durchqueren muss, die man den Mut zu durchqueren haben muss, um den Ausgang in eine neue Welt zu finden, eine andere Welt". (Andrea Emo)

Cristina Campo: Fern voneinander


Cristina Campo (1923-1977), Übersetzerin von Eduard Mörike und Virginia Woolf, eng befreundet mit Andrea Emo, hat in ihrem Leben 34 Gedichte veröffentlicht. 

"Hat wenig geschrieben, und es wäre besser weniger gewesen", sagte sie über sich selbst. (Übersetzung von mir)

Zwei Philosophenbilder von Herrn Kiefer

Flüssiges, heißes Blei, über Ölbildern ausgegossen, vernichtet das Kunstwerk. Farbe löst sich auf, verschwindet, steigt an die Oberfläche. Das Blei, zerlöste Farbe aufgesaugt, erstarrt. Es aufrollen und das Gemälde endgültig zerstören, zerreißen, Farbreste hoch- nach außen zwingen, flügelgleich dem Betrachter entgegenschlagen: so entsteht ein neues Bild, das die Gewalt nicht verbirgt, der es sich verdankt. Eins der Bleibilder der Pariser Ausstellung "für Andrea Emo" ist St. Bartholomäus gewidmet: dem gehäuteten Heiligen aus dem Mailänder Dom: Blei abgerissen von einem Gewebe von farbigen Strichen. Unvorstellbarer Schmerz im sichtbaren Schöpfungs- und Zerstörungsakt. 

Zwei Bilder tragen den Namen "Andrea Emo". Ein gemalter, ein zerstörter, ein Philosoph als Bild.

Gold der Grund, mit Rauch zum Teil verdeckt, Smoke steht da auch geschrieben, Goldsplitter, Farbschlieren, bunte sabbernde Einzeller nach rechts und links verkleckst, das Ganze mit Blei übergossen, welches, wiederum abgerollt, hinausgerollt und festgehängt, weil es nicht von alleine hält, den Blick aufs Übriggebliebene freigibt. Aber das herrschende dunkelgraue Metall des Vergessens im Mittelteil bleibt, wo nur kleine, vereinzelte Farbflecken noch auftauchen, sich Rauheit bildet. Es ist wie von Moos überwachsen. Die Zeit vergeht, auch fürs Gedachte. Hinter dem Blei ist wohl was, etwas wie nichts. 

Oder der deckende, aufgerührte? Bleiguss wäre Emo selbst? wie er schweigt, sich bedeckt hält, nichts drucken lässt, nur schreibt, was dann bunt und leuchtend auf den Seiten seiner Notizhefte herumfliegt. Aus dem zweiten Bild für ihn kommt denn auch etwas wie eine Hand heraus, die einen Stift hält, ein bleiernes Blatt dazu, herausgerissen aus einer schattenhaften neblichten wie norditalienischen Blatt-, Blättchen und Unterholzlandschaft, einem mageren zerzausten bezaubernden Totenreich, nur aufgeheitert durch drei kleine ganz bunte Paradiesvögelchen, nur so Ideen, links oben.

Was den Denker zeigt, es ist erst zerstört, wird dann hervor-, herausgerissen und kommt grau und bebuntet dem Zuschauer verstörend und betörend entgegen. 

(So recht war ja nicht vorzustellen, wie ein Bild von einem Philosophen aussehen könnte. Der und der übermittelte uns ja etwas wie das Aussehen von Kant oder Hegel oder Nietzsche, schon verblödet im Weimarer Garten, weil die Leut ja wissen wollen, ob diese Denker blond waren oder fett oder etwas. Auch von dem Italiener Andrea Emo gibt es ein Porträt von Alberto Savinio, welches nun verschwunden ist, verkauft an wer weiß wen. Aber das ist es ja auch nicht. Ein gutes Bild von einem Philosophen muss das Denken in neue Form übertragen, sichtbar machen, da die Worte ja wegkommen.) 

Also viele Grüße. Jetzt wird euch einer kaufen und weg.

Ode ans Nichts

Ode ans göttliche Nichts

Göttliches Nichts, unser Frieden, funkelndes Firmament über dunkelsten Nächten, Synthese all dessen, was wir sind, Du bist unser höchster W...